Datenschutz in Berlin: Ein Rückblick auf 2023 im Bereich der Videoüberwachung
Einleitung
Dieser Blogbeitrag stellt kurz die wichtigsten Punkte des Tätigkeitsberichts Berlin 2023 im Bereich Videoüberwachung vor (mehr Informationen). Wie auch in anderen Bundesländern ist die Videoüberwachung ein Dauerbrenner, vielleicht auch, weil die Technik immer leistungsfähiger, aber gleichzeitig auch immer billiger wird und das Sicherheitsbedürfnis stetig steigt. Die meisten Betreiber von Videoüberwachungsanlagen sind jedoch nicht in der Lage, die Videoüberwachung rechtskonform zu gestalten. Anfängerfehler aus Unkenntnis oder vorsätzliches Handeln führen automatisch zu anlassbezogenen Kontrollen und entsprechenden Bußgeldern und Abschaltungen. Nach meiner Schätzung erfüllen über 90 % der Unternehmen die datenschutzrechtlichen Pflichten nicht. Die folgenden Beispiele aus dem Tätigkeitsbericht 2023 aus Berlin im Bereich der Videoüberwachung verdeutlichen meine Erfahrungen.
Auskunft bei Videoüberwachung in der Bahn
Ein Bürger verlangte von einem Verkehrsunternehmen Auskunft über seine personenbezogenen Daten, die im Rahmen einer Videoaufzeichnung in einem Zug erhoben worden waren. Das betroffene Verkehrsunternehmen verweigerte die Auskunft mit der Begründung, dass eine Identifizierung aufgrund der getragenen Mund-Nasen-Maske nicht eindeutig möglich und der Aufwand für die Sichtung der Aufzeichnungen unverhältnismäßig sei.
Die Berliner Datenschutzbehörde schaltete sich ein und verwarnte das Unternehmen. Dagegen klagte das Unternehmen und das Gericht entschied, dass der Bürger keinen Anspruch auf Herausgabe der Aufnahmen habe. Die Behörde sieht das anders und hat Berufung eingelegt — das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.
Details auf einen Blick
Fall: Ein Bürger verlangt eine Kopie von Videoaufnahmen, auf denen er möglicherweise zu sehen ist. Das Verkehrsunternehmen verweigert dies.
Problem: Die Identifizierung des Bürgers wurde durch die Verdeckung von Mund und Nase erschwert, und das Unternehmen argumentierte, dass der Aufwand für die Bereitstellung der Aufzeichnungen unverhältnismäßig sei. Man hätte die Festplatten aus dem Fahrzeug entfernen, die Aufnahmen sichten, die Person identifizieren und die anderen Personen unkenntlich machen müssen.
Reaktion der Behörde: Die Behörde sprach eine Verwarnung aus, woraufhin das Verkehrsunternehmen Klage erhob.
Ergebnis: Laut Tätigkeitsbericht Berlin 2023 im Bereich Videoüberwachung entschied das Gericht zugunsten des Unternehmens. Die Behörde ging in Berufung. Sie vertrat die Auffassung, dass der Auskunftspflicht nachgekommen werden müsse. Der Bürger hatte genaue Angaben gemacht, die eine Identifizierung ermöglichten. Die Behörde vertrat die Auffassung, dass das Unternehmen den Aufwand für die Identifizierung gar nicht geprüft, sondern die Aufnahmen unbesehen gelöscht habe. Ein unverhältnismäßiger Aufwand kann nicht als Argument dienen, da die Aufnahmen im eigenen Interesse an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden — in diesem konkreten Fall jedoch nicht.
Anmerkung: Leider geht aus dem Sachverhalt nicht hervor, warum die Auskunft erteilt werden soll. Hat der Bürger in der Bahn einen Schaden erlitten, den er aufklären möchte (z.B. Diebstahl) oder handelt es sich um eine Schikane des Unternehmens? Dies würde die Einordnung und Notwendigkeit des Auskunftsersuchens verdeutlichen.
Heimliche VIdeoüberwachung in Steckdosen
Ein Unternehmen geriet ins Visier der Berliner Datenschutzbehörde, weil es drei Praktikanten mindestens einen Monat lang heimlich mit in Steckdosen versteckten Kameras überwachte. Angeblich wollte das Unternehmen damit das Urheberrecht schützen. Die Behörde sah jedoch keinen Grund für eine solch drastische Maßnahme.
Das Unternehmen erklärte, warum die Überwachung notwendig war. Die Auszubildenden wurden über die Videoüberwachung nicht informiert. Deshalb verhängte die Behörde ein Bußgeld in Höhe von 4.000 Euro.
Details auf einen Blick
Fall: Ein Unternehmen überwachte drei Praktikanten mit versteckten Kameras in Steckdosen.
Problem: Das Unternehmen überwachte die Praktikanten ohne deren Wissen, was gegen den Datenschutz verstößt. In den Arbeitsverträgen war zwar eine Klausel enthalten, die sich jedoch nicht konkret auf die Videoüberwachung bezog und daher unwirksam war.
Reaktion der Behörde: Gegen das Unternehmen wird ein Bußgeld in Höhe von 4.000 Euro verhängt.
Ergebnis: Laut Tätigkeitsbericht Berlin 2023 wurde die Videoüberwachung als unverhältnismäßig und nicht erforderlich angesehen. Weder war die Videoüberwachung zur Erbringung der Arbeitsleistung oder zum Schutz des Urheberrechts erforderlich, noch war eine heimliche Dauerüberwachung verhältnismäßig oder zumutbar. Mildere, gleich wirksame Mittel waren nicht ersichtlich. Es gab keine Rechtsgrundlage für die Überwachung.
Anmerkung: Eine heimliche Videoüberwachung muss begründet und gut vorbereitet sein. Die heimliche und dauerhafte Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis ist in den allermeisten Fällen unzulässig. Die Vorstellung, dass Auszubildende am Arbeitsplatz heimlich überwacht werden, ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch moralisch verwerflich. Ein solcher Eingriff in die Privatsphäre zeugt von einem tiefen Missverständnis des Schutzes der Privatsphäre von Arbeitnehmern. Besonders erschreckend ist, dass die verhängte Geldstrafe in diesem Fall nur 4.000 Euro betrug — ein Betrag, der in keinem Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen steht. Hier stellt sich die berechtigte Frage, ob Sanktionen dieser Art nicht deutlich abschreckender ausfallen müssten.
Videoüberwachung in Berliner Freibädern
Nach mehreren Vorfällen in Berliner Freibädern wurden Ausweiskontrollen und Videoüberwachung an den Eingängen eingeführt, um die Sicherheit zu erhöhen. Die Berliner Datenschutzbehörde hatte jedoch Bedenken. Die Kontrollen könnten diskriminierend wirken, da bereits ein kurzer Blick in den Pass wichtige persönliche Daten erkennen lasse.
Außerdem konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Videoüberwachung tatsächlich zu mehr Sicherheit beiträgt. Die Behörde forderte eine Überprüfung der Maßnahmen. Datenschutz und Sicherheit müssen Hand in Hand gehen, aber hier fehlte der konkrete Nutzen der Überwachung.
Details auf einen Blick
Fall: Nach Gewaltvorfällen in Freibädern wurden Ausweiskontrollen und Videoüberwachung an den Ein- und Ausgängen eingeführt.
Problem: Die Maßnahme wurde als nicht ausreichend zur Erhöhung der Sicherheit bewertet und führte zu Datenschutzrisiken. Ein Sicherheitskonzept konnte nicht vorgelegt werden. Die Überprüfung aller Ausweise erfüllte nicht den Zweck, Personen mit einer Hausverbotsliste abzugleichen. Erforderlichkeit und Wirksamkeit konnten nicht nachgewiesen werden. Die Ausweispflicht konnte allenfalls eine abschreckende Wirkung auf Personen haben, die eine Ausweiskontrolle nicht wünschten. Eine Videoüberwachung von Straftätern beim Verlassen des Freibades wäre kaum durchführbar gewesen. Konkrete Zahlen von Straftaten, die durch eine Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Eingangsbereich hätten aufgeklärt werden können, konnten nicht nachgewiesen werden.
Reaktion der Behörde: Die Berliner Bäder-Betriebe wurden um eine Bewertung der Maßnahmen gebeten. Eine Beratung wurde angeboten.
Ergebnis: Es wurde festgestellt, dass die Überwachung nicht datenschutzkonform war. Verschiedene Nachweise konnten nicht erbracht werden. Die Wirksamkeit des Überwachungssystems konnte nicht nachgewiesen werden. Die Ausweiskontrolle aller Besucher ist nicht geeignet, wenn nicht gleichzeitig ein Abgleich mit einer Hausverbotsliste erfolgt.
Bemerkung: Die Berliner Freibäder standen nach den gewalttätigen Vorfällen und der intensiven Medienberichterstattung unter erheblichem Druck, schnell Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit zu ergreifen. In der Eile, ein funktionierendes Sicherheitskonzept auf die Beine zu stellen, wurden jedoch einige handwerkliche Fehler gemacht, die zeigen, dass schnelle Lösungen nicht immer die besten sind. Es bleibt abzuwarten, wie eine datenschutzkonforme Lösung im nächsten Jahr aussehen wird.
Kennzeichenerfassung zur Ermittlung der Parkdauer
Viele moderne Parkhäuser verzichten auf Tickets und Schranken und erfassen stattdessen die Kennzeichen der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge, um die Parkdauer zu ermitteln. Einige Autofahrer haben Bedenken geäußert, weil an den Kassenautomaten die Parkzeiten anderer Fahrzeuge einsehbar sind.
Die Berliner Datenschutzbehörde bestätigt, dass solche Systeme grundsätzlich zulässig sind, solange keine Personen direkt erkennbar sind und die Kennzeichen nach dem Bezahlen schnell gelöscht werden. Achten Sie als Parkhausbetreiber hier besonders auf Transparenz und stellen Sie sicher, dass die erfassten Daten zeitnah und korrekt gelöscht werden.
Details auf einen Blick
Fall: In vielen Parkhäusern werden Kennzeichenerfassungssysteme zur Ermittlung der Parkdauer eingesetzt.
Problem: Verschiedene Fahrzeughalter beschwerten sich über die rechtliche Zulässigkeit und die Möglichkeit, Daten (Parkdauer) anderer Fahrzeuge am Automaten einzusehen.
Reaktion der Behörde: Die Behörde stellte fest, dass diese Systeme zulässig sind, sofern die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden (Aufzeichnung ohne Personen, sichtbare und aussagekräftige Hinweisschilder, Möglichkeit, die Aufzeichnung zu verhindern oder zumindest kostenlos zu verlassen mit sofortiger Löschung der Daten). Die Einsichtnahme in die Parkdauer anderer Fahrzeuge ist technisch nicht vermeidbar, da ohne Zusatzwissen kein Rückschluss auf den Halter möglich ist. Dies wird von der Aufsichtsbehörde als noch zulässig eingeschätzt.
Fazit: Die Betreiber müssen sicherstellen, dass keine personenbezogenen Daten offengelegt und Kennzeichen zeitnah gelöscht werden. Konkrete Angaben zu Verstößen oder Bußgeldern enthält der Bericht nicht.
Anmerkung: Unklar bleibt, ob die Aufsichtsbehörde die Verarbeitung personenbezogener Daten des Halters für rechtlich zulässig hält, da dieser möglicherweise gar nicht am Steuer sitzt. Hier muss der Parkhausbetreiber genau auf die Rechtsgrundlage achten.
Luftaufnahmen von Privatgrundstücken per Drohne
In einem aktuellen Fall fertigte ein Immobilienunternehmen im Rahmen einer Zwangsversteigerung Luftaufnahmen eines Privatgrundstücks an, ohne zuvor die Einwilligung der Eigentümer eingeholt zu haben. Die Drohnen erfassen personenbezogene Daten ohne Rechtsgrundlage. Dies stellt einen klaren Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar. Für Drohnenaufnahmen zu gewerblichen Zwecken muss der Betreiber vorab die Einwilligung der Betroffenen einholen.
Obwohl die Aufnahmen der Wertermittlung des Grundstücks dienten, waren sie weder erforderlich noch verhältnismäßig. Der Betreiber kann weniger eingriffsintensive Alternativen wie öffentlich verfügbares Kartenmaterial nutzen. Die Datenschutzbehörde sprach eine Verwarnung aus und betonte, dass Drohnenaufnahmen von Privatgrundstücken nur unter strengen datenschutzrechtlichen Voraussetzungen zulässig sind.
Details auf einen Blick
Fall: Ein Immobilienunternehmen verwendete eine Drohne, um Luftaufnahmen eines Privatgrundstücks im Rahmen einer Zwangsversteigerung anzufertigen, ohne zuvor die Einwilligung der Eigentümer eingeholt zu haben.
Problem: Da die Drohnenaufnahmen personenbezogene Daten erfassen, hätten die Eigentümer vorab informiert und ihre Einwilligung eingeholt werden müssen. Solche Aufnahmen fallen unter die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das Unternehmen hätte auch auf weniger einschneidende Alternativen wie öffentlich zugängliches Kartenmaterial zurückgreifen können.
Reaktion der Behörde: Die Berliner Datenschutzbehörde schaltete sich ein und sprach eine Abmahnung gegen das Unternehmen aus, da die Drohnenaufnahmen ohne Einwilligung der Betroffenen unzulässig waren.
Ergebnis: Die Behörde stellt klar, dass Drohnenaufnahmen nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sind. Der Betreiber muss zuvor alternative, datenschutzfreundlichere Verfahren einsetzen. Die Aufsichtsbehörde stärkt den betroffenen Eigentümer. Das Unternehmen erhält klare Vorgaben für den künftigen Umgang mit solchen Aufnahmen.
Anmerkung: Drohnenaufnahmen über Wohngebäuden sind praktisch unmöglich. Warum die Aufsichtsbehörde auf die Rechtsgrundlage Interessenabwägung verweist, bleibt unklar. Von jeder Person, die im beflogenen Bereich wohnt, muss vorab eine wirksame Zustimmung eingeholt werden — in der Praxis ist dies meist nicht möglich, da man auf das Wohlwollen der Anrainer angewiesen ist. Die Aufsichtsbehörde erwähnt in ihrem Bericht nicht die strengen Anforderungen der Luftverkehrsordnung (§ 21 h Satz 3 Nr. 7 LuftVO), die der Betreiber ebenfalls zu beachten hat.
Fazit
Der Tätigkeitsbericht Berlin 2023 zeigt anhand dieser Beispiele, wie die Berliner Datenschutzbehörde gegen unzulässige Videoüberwachung vorgeht. Es wird deutlich, dass Unternehmen die gesetzlichen Vorgaben strikt einhalten müssen, um Bußgelder oder Aufwände zu vermeiden.
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Möglicherweise hätte der eine oder andere Fall (versteckte Kamera oder Drohne) im Vorfeld vermieden werden können. Dann hätte man sich den Aufwand und die 4.000 EUR sparen können. Probieren Sie doch einmal den Datenschutz-Quickcheck für eine Videoüberwachungskamera aus!
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